Phasen des Gruppenprozesses
Menschen verbringen bei Gruppenentscheidungen die meiste Zeit damit, den anderen Dinge zu erzählen, die schon alle wissen, d.h., die Bereitschaft, Informationen zu teilen, sinkt in Gruppen, gleichgültig, ob nun die Mitglieder miteinander konkurrieren oder als Team zusammenarbeiten. Zum einen verfolgen die meisten Menschen egoistische Ziele und sind auch bei Teamarbeit auf ihren eigenen Vorteil bedacht, zum anderen entsteht ein Gruppenzwang mit einer diffusen Angst, etwa wegen einer abweichenden Meinung kritisiert und diskriminiert zu werden, sodass man auch aus Furcht lieber schweigt. Für denjenigen, der in einer Gruppe arbeiten will (oder muß) kann es daher sehr hilfreich sein, die verschiedenen Phasen des Entwicklungsprozesses von Gruppen zu kennen. Man kann dadurch z.B. auch sein eigenes Verhalten besser verstehen lernen, und darüber hinaus kann dieses Wissen bei der Analyse von Konflikten, die in den meisten Gruppen irgendwann auftauchen, nützlich sein.
- Phase 1: Ankommen, auftauen, sich orientieren
Diese Phase ist gekennzeichnet durch abwartendes Verhalten. Um die neue Situation für sich einfacher zu gestalten, werden zunächst einmal innerlich Etiketten verteilt, die die anderen in ein gewohntes Schema einordnen: nett, intellektuell, Kumpel, Stockfisch etc. Mit diesen Etiketten verschafft man sich zwar Übersicht, behindert aber gleichzeitig vorurteilsfreies Zugehen auf die anderen. Der gemeinsame Nenner hinter diesem Verhalten heißt Unsicherheit und Wunsch nach Orientierung, denn jeder der Teilnehmer ist auf der Suche nach seinem Platz und seiner Rolle in der Gruppe. Alle wollen akzeptiert werden, jeder möchte seine Werte und Vorstellungen berücksichtigt wissen. Der eine intensiver, der andere mit größerer Distanz. - Phase 2: Gärung und Klärung
Die Teilnehmer sind nun in der Gruppe vertrauter und zeigen ihr wahres ICH. Sie zeigen die eigenen Interessen und Erwartungen. Diese Phase ist geprägt von Durchsetzungswillen, Rollen- und Statusverteilungen, evtl. auch Aggressionen. Skeptische und konfrontative Fragen werden gestellt. Da jeder seine Interessen klarer ausdrückt werden die Unterschiede in den Erwartungen deutlicher. Rivalität und Durchsetzungswille, Rollen- und Statusverteilungen beeinflussen das Klima. Die Gruppe kommt nur langsam voran, die Konfusion und gegenseitige Blockade bringt die Gruppe zur ersten Krise und damit an einen wichtigen Punkt: Es wächst die Einsicht und Bereitschaft, Entscheidungsregeln zu finden, Rollen und Funktionen zu verteilen, akzeptable Normen für das Gruppenleben zu schaffen und unterschiedliche Fähigkeiten zu akzeptieren. Die Gruppe beginnt, sich zu organisieren und als Gruppe zu verstehen. Den TeilnehmerInnen wird klar, wofür sie in Bezug auf ihr Lernen und den Fortschritt in der Gruppe Verantwortung übernehmen müssen. - Phase 3: Arbeitslust und Produktivität
In dieser Phase wird die Unterschiedlichkeit der Personen als nutzbringend erkannt, und als Vorteil für eine kreative Aufgabenbewältigung gesehen. Aufgabenteilung und Rollendifferenzierung können stattfinden. Die Gruppe befindet sich in einer Phase relativ stabiler Arbeitsfähigkeit, Aufgabenstellungen werden konstruktiv aufgegriffen und auf der Sachebene bearbeitet. Das Klima ist von gegenseitigem Geben und Nehmen gekennzeichnet, die Kommunikation funktioniert gut. Die Gruppe ist nicht mehr so anfällig für Stimmungsschwankungen. Frustration und Konflikt können ertragen werden, ohne die Arbeitsfähigkeit der Gruppe in Frage zu stellen. - Phase 4: Abschluß und Abschied
Häufig ist das Ende der Gruppe durch die vorgegebene Dauer oder durch das Erreichen der Ziele "vorprogrammiert". Abschluß, Transfer und Abschied sind die drei beherrschenden Themen der Schlußphase. Abschluß heißt, die bisherigen Themen zu einem Ende zu führen, auf der Sachebene ebenso wie auf der Beziehungsebene. Mit Transfer ist gemeint, daß sich der Teilnehmer mit der Frage konfrontiert, was er mit dem bisher gelernten anfangen will. Der Abschied braucht um so mehr Energie, je länger die Gruppe zusammen war und je persönlicher die Themen und Beziehungen wurden. Emotionale Bande müssen zu einem (vorläufigen) Abschluß gebracht werden.
Anfangssituationen - Fragen und Probleme
Während eines Studiums ist man als Student und Lehrveranstaltungsleiter mit formellen und informellen Gruppen von Personen konfrontiert. Dabei treten in Anfangssituationen von solchen Gruppen (z.B. Arbeits- und Lerngruppen, Vorlesungen und Seminaren, Heim- und Freizeitgruppen, Universität oder Institut) häufig Fragen und Probleme auf, die sowohl den Gruppenmitgliedern als auch dem Leiter nur selten bewußt und bekannt sind, vielmehr "schweben" sie irgendwie im Raum und beeinflussen die Arbeitsatmosphäre.
Solche Probleme stören in der Regel, besonders dann, wenn sie nicht ausgesprochen werden und latent weiterbestehen. Meist fragt man sich nur ratlos, warum klappt es heute eigentlich nicht so, wie man sich das vorgestellt hat. Warum ist heute nichts weitergegangen? Warum habe ich nichts gelernt? Häufig wird dann die Schuld der Gruppe als solcher gegeben, wobei sich das in der Folge darin äußert, daß man sich innerlich und äußerlich zurückzieht und die Arbeit in einer Gruppe ablehnt.
Einige dieser Probleme finden sich fast in allen Gruppen. Ihre Kenntnis und die bewußte aktive Auseinandersetzung damit ermöglicht - wenn schon nicht immer eine endgültige Lösung - so doch eine gewisse Erleichterung und Einsicht bei den Teilnehmern.
Die wichtigsten dieser Fragen und Probleme sind:
- Inwieweit gleiche ich den anderen? (Identitätsfrage)
- Wer bin ich in der Gruppe?
- Bin ich den anderen (un)sympathisch?
- Wer spielt hier welche Rolle?
- Welche Rolle spiele ich bzw. kann ich hier spielen? (Rollenverteilung)
- Wer hat sich hier schon zusammengesetzt?
- Soll ich irgend jemanden ansprechen?
- Wie wird der Leiter sein?
- Wie wird mich der Leiter behandeln?
- Wird mich der Leiter beeinflussen?
- Wer kann mich sonst noch beeinflussen? (Machtfrage)
- Welchen Vorrat an Wissen und Können kann ich hier verwenden?
- Wie kann ich mich sowohl unter inhaltlichen als auch menschlichen Gesichtspunkten möglichst vorteilhaft darstellen? (Kompetenzfrage)
- Wie offen kann ich in der Gruppe sein?
- Was werden die anderen hinter meinem Rücken sagen und denken? (Vertrauensfrage)
- Welche Erwartungen hat die Gruppe an mich?
- Was kann ich mir hier leisten und was nicht? (Normenfrage)
In der Regel sind viele dieser Fragen "tabu", d.h., man spricht über sie nicht. Es hat sich allerdings gezeigt, daß die Auseinandersetzung mit diesen vorwiegend persönlichen und sozialen Problemen die Voraussetzung dafür sind, daß in einer Gruppe überhaupt inhaltlich gearbeitet werden kann.
Gruppenarbeiten im Zuge einer Lehrveranstaltung
Hier hat man generell wenig Einfluss auf die Themenstellung und die anderen Gruppenmitglieder. Meist werden die Gruppen bereits in der ersten Einheit, in der Sie Ihre Kolleg/inn/en kaum kennen, gebildet und die zu bearbeitenden Themenbereiche sind weitgehend vorgegeben. Gerade solche Gruppenarbeiten können zu einer großen Belastung werden, wenn die Chemie untereinander oder die Arbeitseinstellung einzelner Teilnehmer/innen nicht stimmen. Um Probleme bei Gruppenarbeiten weitgehend vorzubeugen, sollten Sie folgende Hinweise beachten:
Launch-Meeting: Setzen Sie sich zu einem ersten Treffen zusammen, in dem Sie abklären, ob eine gemeinsame Arbeit möglich erscheint und in dem Sie die Arbeitaufträge untereinander abstimmen. Die Gruppe sollte gemeinsam einen Zeit- und Arbeitsplan erstellen, welcher die Termine der nächsten Meetings und die Aufgaben der einzelnen Gruppenmitglieder festlegt.
Arbeitsaufteilung: Sollten einzelne Kolleg/inn/en ihren Teil der Gruppenarbeit nicht leisten, versuchen Sie, diese bei Ihren Aufgaben zu unterstützen, um gemeinsam zu einem positiven Abschluss der Gruppenarbeit zu finden. Übernehmen Sie keinesfalls zusätzlich zu Ihrem Teil der Arbeit auch noch die Agenden der anderen Gruppenmitglieder. Scheitert die Gruppenarbeit am mangelnden Willen und Engagement einzelner Teilnehmer/innen, so steht es Ihnen durchaus zu, dies auch an den/die Lehrveranstaltungsleiter/in zu melden. In diesem Fall können Sie nur Ihren Teil der Arbeit erledigen und somit Ihre Leistungsbereitschaft unter Beweis stellen.
Warum werden Besprechungen oft als Zeiträuber betrachtet?
Aus Managementkursen weiß man, dass Besprechungen von den Beteiligten oft als großen Zeiträuber betrachtet werden, daher werden Besprechungen von vielen als unnötig empfunden, was aber meist an der falschen Planung liegt, denn häufig werden für die Vor- und Nachbereitung von Sitzungen höchstens zehn Prozent des gesamten zeitlichen Aufwandes veranschlagt. Richtig ist es, für Vorbereitung und Nachbereitung mindestens dreißig Prozent des benötigten Zeitpensums anzusetzen, sodass für die reine Sitzungszeit nur vierzig Prozent bleiben. Als Grundregel für effiziente Sitzungen gilt es neben einem Diskussions- und Protokollverantwortlichen auch einen Zeitwächter zu bestellen. Für die Nachbereitung gilt es, möglichst sofort die Zeit für die eigenen Aufgaben abzuschätzen und im Kalender auch zu reservieren. Protokolle sind möglichst zeitnah zu verschicken und mit Zeitleisten und den Verantwortlichen für einzelne Aufgaben zu versehen.
Inhaltsverzeichnis dieses Lerntipps
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Virtuelle Gruppen Aufgabenstellungen für virtuelle Gruppen Typologie der Gruppenmitglieder |
Überblick über die Lerntipps
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