Praxis des Mitschreibens
Viele Studenten übernehmen gewohnheitsmäßig diverse Arbeitstechniken aus der Schule, die sich in der Regel aber als denkbar unzweckmäßig für den Einsatz an der Uni und im späteren Beruf erweisen. Daher möchten wir im folgenden einige Ratschläge geben, die natürlich keine Patentrezepte darstellen; vielmehr möchten wir anregen, über Art und Weise des Mitschreibens und Notierens nachzudenken und sich eine persönliche Technik zuzuschneiden. Erfahrungsgemäß dauert es seine Zeit, bis man die teils schlechten Angewohnheiten aus der Schulzeit hinter sich gelassen und eine Sammlung passender Mitschreibtechniken entwickelt hat.
- Lose Blätter sind besser als fest gebundener Hefte! Korrekturen, Streichungen, Nachträge etc. lassen sich dadurch wesentlich einfacher vornehmen und zusätzliche Blätter, wie Kopien, Zeichnungen und Schmierblätter, lassen sich leicht einfügen. Nach der Veranstaltung alle Blätter in einem nach Fachgebieten organisierten Ordner ablegen.
- Ausschließlich ein Papierformat verwenden, am besten DIN A4! Die meisten Ordnungssysteme und Kopierer sind auf dieses Format eingestellt.
- Die Blätter nur einseitig beschriften! Die Blattrückseite steht dadurch für Änderungen und Ergänzungen bei der Nacharbeitung zur Verfügung.
- Das Blatt nicht lückenlos vollschreiben, sondern ausreichend Rand lassen, damit man hinterher noch Ergänzungen oder eigene Gedanken nachtragen kann. Häufig kreisen die Argumente eines Vortrags um wenige Kerngedanken. Da Sie die Gesamtaussage eines Unterrichtsgesprächs festhalten und nicht ihren Verlauf dokumentieren wollen, ist es günstiger, die Stichworte logisch und nicht chronologisch anzuordnen.
- Das Blatt gedanklich oder tatsächlich aufteilen! Zum Beispiel in
- Kopfzeile für Name und Typ der Veranstaltung, Datum und laufende Seitenzahl
- Fußzeile für Ergänzungen und Querverweise
- Heftrand fürs Abheften
- Rand für Anmerkungen, Korrekturen, Schlüsselworte, Kommentare.
- Stichwörter auf dem Papier in nicht-Iinearer Folge so an,ordnen daß Zusammenhänge und Beziehungen deutlich werden. Dieses Schreibverfahren bietet mehrere Vorteile: Zunächst hält es den Schreiber davon ab, entgegen guter Vorsätze doch ganze Sätze zu schreiben. Darüber hinaus kann mit Hilfe von Pfeilen oder ähnlichen zusätzlichen Zeichen der Zusammenhang zwischen einzelnen Gedanken eingetragen werden. Das Ergebnis einer Mitschrift nach diesem Muster sieht ähnlich aus wie ein Tafelbild - an einigen Stellen vielleicht ausführlicher. Beim Wiederlesen wird auf den ersten Blick die Struktur des Unterrichtsgesprächs deutlich - demjenigen, der es gehört hat. Wenn eine solche Mitschrift einem Fremden nicht alles erläutert, ist das nur natürlich.
- Nicht alles wörtlich mitzuschreiben! Die wichtigsten Gedanken heraushören und diese mit Deinen eigenen Worten formulieren.
- Erst dann schreiben, wenn ein Sinnabschnitt beendet ist. Wer zu früh schreibt und Gedanken hierbei selbst zu Ende denkt, kann zu anderen Ergebnissen kommen als der Redner. Damit die Mitschrift tatsächlich den Tenor des Unterrichtsgesprächs trifft, sollte man eigene Ergänzungen kennzeichnen.
- Das Gehörte in Beziehung zu bereits Bekanntem setzen!
- Feste Art und Weise angewöhnen, wichtige Aussagen hervorzuheben! Einsatz von Farben oder eine bestimmte Art zu unterstreichen oder umrahmen.
- Das Gehörte strukturieren! Ist der Aufbau und die Gliederung des Stoffs einer Vorlesung bekannt, so fällt Lernen, Verstehen und Behalten leichter. Eine Struktur ist wie ein Gerüst, dessen Lücken sich füllen lassen.
- Aktiver Zuhören! Fragen stellen und sich an Diskussionen beteiligen, falls die Veranstaltung das zuläßt.
- Sonst Fragen notiere! Stets nach unausgesprochenen Voraussetzungen, Intentionen und Interessen fragen, Beziehungen zu anderen Teilgebieten und bereits Bekanntem herstellen.
- Gleichzeitig zuhören und mitschreiben muß man üben! Häufig stehen wichtige Verständnishilfen in keinem Skript, auf keiner Tafel und auf keiner Folie, sondern fallen rein mündlich eher beiläufig in einer Vorlesung ab. Hypothetische Fragen, Hinweise auf Prüfung, rhetorische Fragen ...
- System von Abkürzungen und Symbolen entwickeln! Alle Wörter weglassen, die sich beim Durchlesen ohne weiteres rekonstruieren lassen. Aber: Abkürzungen haben nur dann Sinn, wenn sie auch später noch verständlich sind. Daher empfiehlt es sich, über die ohnehin gängigen Abkürzungen (z. B. für "zum Beispiel", d. h. für "das heißt" und u. für "und", usw. für "und so weiter" etc.) hinaus Endsilben zu tilgen oder zu kürzen (z.B. -ung durch -g ersetzen, -lich durch -l. u. ä.). Schlüsselwörter können, nachdem sie als solche wahrgenommen sind, durch selbstdefinierte Siglen (feste Abkürzungszeichen) ersetzt werden. Geht es beispielsweise in einem Vortrag um den Expressionismus, kann das Wort im folgenden durch ein einfaches E ersetzt werden. Einsilbige Wörter schreibt man immer aus, z.B. Norm, Rat, Sport. Artikel deutet man an (der, die, das = d.; ein(e) = e.) oder lässt sie generell weg. Offizielle Abkürzungen wie EU, NATO, UFO werden beibehalten.
- Namen und Begriffe möglichst vollständig notieren, um sie auch später noch schnell nachschlagen zu können. Selbst ein sparsam angewendetes Abkürzungsverfahren empfiehlt sich bei Namen und neu eingeführten Termini, die nur selten vorkommen, nur in begrenztem Maße: Unbekannte Namen und Fachbegriffe sollten nicht abgekürzt werden, da dies das Wiederauffinden in der Fachliteratur unnötig erschwert selbst bei ausgeschriebenen Namen bleibt die Hürde der Schreibung.
- Zitatbelege und Literaturhinweise sorgfältig notieren. Die Mitschrift sollte auch die Anregungen aufgreifen, die in einem Unterrichtsgespräch gegeben werden. Dabei liegt es in Ihrem Ermessen, ob Sie nur die Zitate, die das Unterrichtsgespräch tragen, oder auch ergänzende Lektüreempfehlungen der Lehrkraft notieren oder ob Sie ausschließlich das, was Ihnen lesenswert erscheint, aufschreiben. In jedem Fall ist es praktisch, die Lesehinweise mit einem Zeichen zu versehen, so daß sie beim Überfliegen der Notizen leicht aufgefunden werden können.
- Nachher sollte man die Mitschriften überlesen, Ergänzungen einfügen, Unleserlichkeiten verbessern, roten Faden überprüfen, Genauigkeit kontrollieren, Verständnisfehler beseitigen und wenn möglich mit Mitschriften anderer vergleichen. Oftmals bieten Dozenten "Handapparate" an, die ebenso wie Literaturangaben hilfreich bei der Überarbeitung sind. Bereiten Sie daher jede Vorlesung nach, d.h., lesen Sie die Vorlesungsmitschrift noch einmal durch und kontrollieren Sie diese auf Lesbarkeit, Verständlichkeit und Vollständigkeit. Ergänzen Sie Fehlendes unmittelbar nach der Vorlesung, denn dann sind die Erinnerungen noch frisch.
- Markieren Sie mit verschiedenfarbigen Textmarkern die Kerninformationen. Schlagen Sie unklare Begriffe im Wörterbuch oder Lexikon nach, notieren Sie die Definitionen. Vorteilhaft ist, wenn die Vorlesung zusammen mit Kommilitonen nachbereitet wird. So können mehrere Mitschriften verglichen werden und Sie können Fehlendes ergänzen. Siehe dazu aber auch Sinn und Unsinn des Markierens.
- Die Mitschrift ist ein Lerngerüst! Immer wieder den dargebotenen Stoff anhand der Aufzeichnungen wiederholen - siehe Nachbereitung!
- Eine Mitschrift ist individuell und kann bei allen StudentInnen verschieden aussehen. Zu Beginn des Jahres wird sie umfangreicher sein als gegen Ende: Häufig wird das Neue, Unbekannte schriftlich fixiert - das Bekannte nicht mehr festgehalten.
Am Laptop mitschreiben?
Laptops werden heute häufig auch dafür verwendet, um Notizen anzufertigen und abzuspeichern, denn der grosse Vorteil solcher elektronischen Notizen ist, dass man sie gut organisieren kann, sie immer verfügbar sind und sich auch elektronisch durchsuchen lassen. Mueller & Oppenheimer (2014) haben unter verschiedenen Bedingungen die Lernleistungen von Studierenden untersucht, infem sie jeweils verglichen, welche Auswirkungen das Anfertigen von elektronischen Aufzeichnungen im Vergleich zu handschriftlichen Notizen hat. In einer Studie sollten sich die Teilnehmer fünf unterschiedliche Lernvideos anschauen, bekamen dabei je nach Versuchsbedingung einen Laptop oder einen Notizblock mit Stift zu Verfügung gestellt und wurden aufgefordert, dieses Hilfsmaterial so zu benutzen, wie sie es sonst auch in einer Vorlesung tun würden. Nach eine zeitlichen Abstand wurden die Inhalte der Lernvideos abgefragt, wobei sich zeigte, dass wenn Faktenwissen abgefragt wurde, sich die Lernleistung zwischen Laptopbenutzern und Notizblockbenutzern nicht wesentlichunterschied. Wenn es jedoch um Konzeptwissen ging, schnitten die Notizblockbenutzer deutlich besser ab. Zwar waren die elektronischen Inhalte etwa doppelt so umfangreich wie die handschriftlichen Notizen, entsprachen aber auch häufiger wortwörtlich den Texten aus den Lernvideos. Die Notizblockbenutzer notierten weniger Inhalte, taten das aber eher mit eigenen Worten, was auf eine tiefere Verarbeitung des Inhalts schließen lässt. Auch wenn man die Laptopbenutzer ausdrücklich darauf hinweist, keine wortwörtlichen Notizen zu machen, sondern die Inhalte in eigenen Worten in den Laptop zu tippen zeigte sich wieder eine stärkere wortwörtliche Überlappung der Notizen mit dem Text der Lernvideos. Es scheint also in einer realen Lernsituation am Laptop sehr schwierig zu sein, der Versuchung zu widerstehen, sich wortwörtliche Notizen zu machen. Bei einer Überprüfung nach einer Woche zeigte sich ebenfalls kein Unterschied im Faktenwissen aber ein Nachteil für die Laptopbenutzer im Konzeptwissen. Man vermutet, dass die elektronischen Aufzeichnungen das Lernen eher behindern als fördern, denn die langsamere Schreibgeschwindigkeit mit der Hand hat die Lernenden dazu gezwungen, sich auf die wesentlichen Inhalte und deren Verknüpfungen zu konzentrieren und diese schon beim Schreiben vorzuverarbeiten, was ein besseres konzeptuelles Wissen nach sich zieht.
Anmerkung:
Zusammengefasst nach Martin Tomasik (Universität Zürich), 3 : 0 – Stift siegt gegen Tastatur. Neues aus der Forschung: Psychologisches Institut – Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter.
Literatur
Mueller, P. A., & Oppenheimer, D. M. (2014). The pen is mightier than the keyboard: Advantages of longhand over laptop note taking. Psychological Science, 25, 1159-1168.
Vom Umgang mit Mitschriften
Von entscheidender Bedeutung ist, daß die Notizen (und dazugehörende Skizzen, die als visuelle Gedächtnisstützen dienen) gut lesbar sind. Sind sie bei der Vorbereitung auf eine Prüfung noch zu entziffern? Auch ein logisch aufgebautes Ablagesystem ist wichtig, damit man die entsprechenden Notizen schnell auffinden sowie im Verlauf der Arbeit mit Querverweisen versehen, überprüfen und eventuell einordnen kann. Wenn man nicht schon von Natur aus ein ordentlicher Mensch ist, mag das sorgfältige Sortieren der Notizen Anfangs zur Qual werden. Dafür erleichtert es aber spätere Nachforschungen ganz erheblich und vermittelt zudem das Gefühl, die Arbeit fest im Griff zu haben. Auch der Allgemeinzustand der Unterlagen ist nicht ganz unwichtig, denn zerknitterte Notizzettel mit Kaffeeflecken und gedankenlos hingekritzelten Strichmännchen wirken bei späterer Benutzung nicht gerade anregend.
Inhaltsverzeichnis dieses Lerntipps
Richtig mitschreiben! Grundlegendes - Geschwindigkeit |
Die Methoden - Die Praxis des Mitschreibens - Hierarchie, Mindmap … Tipp: TQ3L-Verfahren |
Die Skripten Das Problem mit den Mitschriften - Die Angst vor dem klugen Gesicht! Nachbereitung der eigenen Notizen - Vorteil der eigenen Mitschrift |
Überblick über die Lerntipps
Student sein :: Zeitmanagement :: Arbeitsplatzgestaltung :: Konzentration :: Stressbewältigung :: Wiss. Schreiben :: Schreibblockaden :: Lernmotivation :: Arbeit in Gruppen :: Mitschrift :: Podcasting :: Die 5-Schritte Methode :: Prüfungsvorbereitung
: : : >> Zurück zur vorigen Seite << : : :
Diese Seite ist Bestandteil von www.lerntipp.at | Impressum
Diese Lerntipps richtig zitieren
Kontakt